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Die Anfänge der deutschen  Kultur
in Amerika.
\
Die Anfänge der deutschen  Kultur
in Amerika.
Von   DR.   M.   D.   LEARNED.
ie der Rhein, Deutschlands herrlicher Strom, durch
seinen regen Verkehr reiche Produkte des Bodens dem
Meere zuführt und in die weite Welt hinausstreut, so bringt
der noch mächtigere Strom der ans allen Gauen des Vater-
landes auswandernden Deutschen frische Kulturelemente nach
der neuen Welt in das ehemalige Reich der Rothhäute.
Werfen wir einen flüchtigen Ueberblick über diese Kultur-
strömuugen, damit wir die Grundlagen der deutsch-amerika-
nischen Kultur näher betrachten können. Wenn wir unsere
Aufmerksamkeit auf die frühesten Entdeckungen in Amerika
lenken, so finden wir, dass Deutsche dabei betheiligt waren.
Da sie aber nicht die Hauptrolle spielten und keinen dauern-
den Besitz nahmen, ging ihnen die gebührende Ehre und Stel-
lung in der Geschichte verloren, während Portugiesen, Spanier,
Franzosen und Engländer die Kroniken der Entdeckungszeit
mit ihrem Ruhm erfüllen. In politischer Hinsicht haben die
Deutschen freilich eine Nebenrolle gespielt, eben deshalb weil
sie zum grössten Theil als Ansiedler und nicht als Eroberer
nach dem neuentdeckten Kontinente auswanderten. Diese
Nebenrolle der Deutschen war aber, selbst bei den frühesten
Entdeckungen, keine unbedeutende.
Schon bei der Entdeckung Nordamerikas (Weinland wie es
damals hiess) durch die Nordmänner um das Jahr 1000 finden
wir einen deutschen Namen. In einem höchst interressanten
Bericht in altnordischer Sprache des 14. Jahrhunderts (1370
—1380) über diese Entdeckung lesen wir, wie ein Südländer,
namens Tyrker, die übrigen Seefahrer während des Baues ihrer
Hütten verliess um sich im Walde umzusehen, und herrliche
Weintrauben zurückbrachte indem er rief: Er habe hier Wein-
beeren gefunden wie in seinem Vaterlande.
(1)
(1) "ek fann vinvidh ok vinber *** A visu er that satt" kvarih bann "Thvlat
ek vor thar fseddr, er hvorki skorti vinvidh ne vinber." (Eafu, "Antiquitates
Americanae," 36.)
54
Die Nordmänner aber und besonders der Südländer Tyrker
kosteten unbewusst die Trauben eines neuentdeckten Kontinents
und segelten wieder fröhlich, in ihre Heimat zurück.
Bedeutender aber für die Entdeckung Amerikas war nach
der Meinung einiger Historiker der berühmte Nürnberger Mar-
tin Behaim, ein Schüler des grossen Erd- und Sternkundigen
Johannes Müller oder Regiomontanus, wie er genannt wurde.
Behaim war ein tüchtiger Mathematiker und Astronom, und
ging, wie viele andere Seefahrer seiner Zeit, nach der iberischen
Halbinsel und wurde bald Mitglied des Staatsrathes von Por-
tugal. Behaim hatte viel gereist und die Schifffahrt gründ-
lich gelernt. Er wurde wegen seiner Verdienste von König
Johann dem Zweiten von Portugul zum Ritter geschlagen.
Von Behaim wurde das Astrolabium in den Gebrauch der
Schiffer eingeführt. Er ging mit portugiesischen Schiffen auf
Entdeckungen aus, machte Reisen zwischen den Wendekreisen,
entdeckte mit Diego Cano die Kongoküsten, gründete Ansied-
lungen auf den Azoren, verheirathete sich mit der Tochter des
Statthalters der Insel Fayal, wo er sich einige Jahre aufhielt.
Im Jahre 1483, also beinahe zehn Jahre früher als Columbus
seine Entdeckungsreise antrat, soll Behaim die Südamerika-
nische Küste gesehen haben. Er hielt sie aber für eine Insel
und nahm sie für Portugal in Besitz.
(1)
Den Bericht seiner
Entdeckungen theilte er später dem Columbus selbst mit, der
ihn auf Madeira besuchte. Also durch den Verkehr zwischen
Deutschland und den südwest-europäischen Ländern, den Behaim
besonders gefördert hatte, wurde die Auswanderungslust in den
Deutschen erweckt und der Zug der Auswanderer zuerst nach
Südamerika gerichtet.
DEUTSCHE  KULTURSTRÖMUNGEN NACH SÜD-AMERIKA.
Die erste deutsche Ansiedlung in Südamerika wurde im
Jahre 1528 in Venezuela (Klein-Venedig) von Bartholomäus
Welser, einem reichen Augsburger, gegründet. Kaiser Karl V.
(1) Nach der Meinung der meisten amerikanischen Geschichtsschreiber ist die
betreffende Stelle in der "Nürnberger Chronik" interpolirt und bezieht sich auf
die afrikanische Küste. Vgl. John Fiske, "The Discovery of America," I 424 (1892),
wo er sagt: "A ridiculous story, that he (Behaim) anticipated Columbus in the
discovery of America originated in the misunderstanding of an interpolated pas-
sage in the Latin text of Schedel's Registrum Nuremberg. 1493, p. 290, the so-called
Nuremberg Chronicle."
55
hatte dem Welser dieses Land zum erblichen Lehnseigenthum
gegeben gegen die 12 Tonnen Goldes die er von jenem entliehen
hatte und die er nicht zurück bezahlen konnte. Im Jahre
1526 schickten die Welser drei Schiffe unter dem Befehle des
Ambrosius Alfinger
(1)
aus Ulm
nach Südamerika. Ein deut-
sches Reich wurde also von einem Handlungshaus in Venezuela
gegründet. Der Hauptzweck dieser Welser-Expedition war die
fabelhafte Goldstadt (Eldorado) zu suchen, Alfinger starb schon
1530, und die meisten der 500 deutschen Soldaten, die nach
Venezuela gesandt worden waren, scheinen Alfinger's Schicksal
getheilt zu haben. Noch zwei andere Goldabenteurer machten
es dem Ulmer Alfinger nach: Georg von Speier, der 1534
mit 400 Mann eine Expedition von Coro ins Innere des Landes
leitete; und Philipp von Hutten, ein Gefährte des Georg von
Speier, der im Jahre 1541 einen zweiten Versuch machte.
(2)
Nach etwa 30 Jahren traten die durch grosse Verluste her-
untergekommenen Welser ihre Herrschaft an die Spanier ab.
Ausser diesen Ansiedlungen in Venezuela sind auch Deutsche
nach den holländischen Besitzungen der General-Staaten, Par-
amaribo, St. Martins und Aruba ausgewandert. Später legten
deutsche Kaufleute, vornehmlich aus den Hansastädten, An-
siedlungen in Südamerika, Mexico und Westindien an.
(3)
Auch in Brasilien haben sich seit 1825 viele Deutsche
niedergelassen, besonders in dem südlichen Theil, zwischen St.
Paulo und Rio Grande. Der Kaiser Dom Pedro hatte eine
österreichische Prinzessin zur Gemahlin, mit der mehrere gebil-
dete Oesterreicher herüberkamen und eine Menge ihrer Lands-
leute nachzogen. Die bedeutendsten von ihnen dort angelegten
Dörfer sind Rio Negro, Petropolis, St. Amaros, Itapicerica und
St. Petro d'Alcantara. Die Zeit erlaubt uns nur der zahlrei-
chen deutschen Ansiedlungen in der Nähe von Rio Janeiro, in
Buenos Ayres and Montevideo zu erwähnen.
DEUTSCHE KULTURSTRÖMUKGEN NACH NO®D-AMERIKA.
Fasst man die Ursachen ins Auge, welche die grossen
deutschen Auswanderungen nach Nordamerika veranlassten, so
(1)   Oder Ambrosio de Alfinger, vgl. Justin Winsor, "Narrative and Critical
History of the United States," I, 579.
(2)   Vgl. Winsor I, 579-581.
(3)   Vgl. Löher, "Geschichte und Zustände der Deutschen in Amerika," S. 16.
56
findet man, dass die Hauptursache den damals in Deutschland
herrschenden religiösen Unruhen zuzuschreiben war. Waren
die ersten Deutschen des Handels wegen nach Südamerika aus-
gewandert, ja sogar in enger Verbindung mit den Hansastädten,
so waren doch die meisten nach Nordamerika auswandernden
Kolonisten arme verfolgte Protestanten, die lieber ihr Schicksal
unter den wilden Menschen und Thieren der amerikanischen
Urwälder suchen wollten, als einen elenden Tod unter den.
barbarischen Kulturmenschen Europas erleiden.
Freilich waren es wohlhabende Kaufleute und
reiche Ka-
pitalisten wie die Krefelder und die Frankfurter, welche den
Weg nach Pennsylvanien bahnten, auf dem die Pioniere der
deutschen Kultur nach dem Reiche der Indianer gelangen
sollten. Um aber die Anfänge des deutschen Lebens in Nord-
amerika betrachten zu können, müssen wir die Perioden der
deutschen Kulturentwickelung in Amerika näher bestimmen.
Die Geschichte der deutschen Kulturentwickelung in Nord-
amerika lässt sich in folgende Perioden eintheilen:
1.   Die Ansiedlungszeit oder Kolonialperiode (1614—1776).
2.    Die Verschmelzungszeit oder Konstruktionsperiode (1776—
1848.)
3.    Die Umbildungszeit oder Rekonstruktionsperiode (1848—).
Die Kolonialperiode umfasst (1) die Begründung Neu-
Niederlands durch die Holländer, (2) die Niederlassung von
Deutschen in New-York, Pennsylvanien, New Jersey, Mary-
land, Virginien, Südkarolina, Georgia u. s. w. Folgende Ab-
handlung beschränkt sich auf die Ansiedlungszeit und reicht
nicht über Maryland hinaus.
KULTURZUSTÄNDE   IM   VATERLANDE.
Zu Anfang des 17. Jahrhunderts stand Deutschland ein
fürchterlicher blutiger Krieg bevor. Der Protestantismus,
durch die Reformation eingeführt, hatte sich fast des ganzen
Norddeutschlands und der Niederlande bemächtigt. Holland
hatte in dem Kampf mit Spanien den Sieg davon getragen
und letzteres sah sich gezwungen im Jahre 1609 in den Waffen-
stillstand einzuwilligen. Die Habshurger hatten sich den Jesu-
iten in die Hände gegeben. Wie zwei Feuerdrachen standen der
Protestantismus und der Katholicismus sich feindlieh gegen-
über. Die Losung zum Angriff blieb nicht lange aus. Dreissig
57
Schreckensjahre hindurch verwüsteten diese Ungeheuer das
unglückliche Vaterland bis endlich fast das ganze Land verödet
war und seine elenden Söhne sich nach einem friedlicheren
Himmel sehnten.
HOLLÄNDISCHE KULTURELEMENTE IN NEU-NIEDERLAND.
Bekanntlich hatten die Hansastädte durch ihren regen
Handelsverkehr die entlegensten Theile Europas, sogar der da-
mals bekannten Welt in Verbindung gebracht. Durch ihren
Einfluss angeregt und gefördert hatten England nnd Holland
eine bedeutende Stellung im nord-europäischen Seeverkehr er-
worben. In einem Jahre (1590) wurden in Holland 1000 Schiffe
gebaut. Holländische Kaufleute fuhren mit holländischen
Schiffen nach Nowgorod, nach Portugal, nach Indien, nach
den Azoren; und endlich nach Nordamerika, um einen neuen
Seeweg nach Indien zu entdecken.
Im Jahre 1609 segelte Hendrik Hudson, der diese letzge-
nannte Expedition leitete, den Fluss hinauf, welcher noch
jetzt seinen Namen führt. Acht Jahre später liessen eine
Gesellschaft von Amsterdamer Kaufleuten auf der Insel Man-
hattan einige einfache Gebäude aufführen. Im Jahre 1623
wanderten etwa 30 Familien auf dem Schiffe "Neu-Niederland"
von Amsterdam nach Neu-Niederland aus, und gründeten unter
der Autorität der westindischen Compagnie die erste dauernde
Ackerbau-Kolonie in dem nachmaligen Staate Neu -
York.
Diese Ansiedler waren meistens Wallonen, Luxemburger und
Einwohner anderer Länder an der französischen Grenze. Schon
zu dieser Zeit machte sich der Gegensatz zwischen Nieder-
ländern und Engländern fühlbar, wie der damalige Grenzstreit
darthut. Devries kam 1638 mit einem Schiffe voll Einwanderer
nach Staten Island und gründete dort eine Kolonie. Im Som-
mer desselben Jahres kamen wohlhabende Leute mit Emigran-
ten nach Neu-Amsterdam. Unter ihnen war der berühmte
Darmstädter, Jochem Peterson Kuyter. Die liberale Politik
veranlasste eine bedeutende Uebersiedlung von Kolonisten von
Virginien und Neu-England nach Neu-Niederland. Die Ver-
bindung zwischen den Niederlanden und Deutschland, politisch
betrachtet, war damals viel enger als heutzutage und unter den
Auswanderern, die sich in Neu-Niederland niederliessen waren
58
viele Deutsche. Bei Eickhoff, „In der neuen Heimat," S. 43,
lesen wir Folgendes: "Die Mehrzahl unserer in Neu-York sich
niederlassenden Landsleute waren Handwerker, und kamen, aus
dem nordwestlichen Deutschland, von Niederland und Geldern,
aus Westphalen, Ditmarsen, Friesland, Holstein und den Han-
sastädten; aber auch aus Hessen, Thüringen und Franken,
den Elbegegenden, selbst Schwaben und der deutschen Schweiz
zogen einzelne Abenteurer nach Neu-York. Natürlich waren
die meistens ungebildeten Einwanderer, im fremden Welttheile
höchstens die Vertreter deutschen Fleisses und sesshaften Hand-
werks, nicht aber die Träger der heimischen Sitte und Kultur.
In ihren Anschauungen und Bestrebungen sind sie vielmehr
Holländer, und deren Sprache redend, haben sie mit ihnen
auch die kaufmännischen und politischen Ziele gemein. So
verschwinden sie denn auch bald unter den Holländern, mit
welchen sie übers Meer gekommen waren, und selbst jede Spur
ihres Daseins würde uns verloren gegangen sein, wenn ihre
Namen nicht zufällig in den Verzeichnissen der Amsterdamer-
Rheder aufbewahrt worden wären."
(1)
Aus dieser kurzen Skizze der Geschichte der frühesten
Niederlassungen in Neu-Niederland ergiebt sich, dass die Haupt-
strömung der nach dieser Kolonie auswandernden Kultur eine
holländische war. Obgleich die deutschen Kulturelemente
aber gegen die niederländischen verhältnissmässig unbedeutend
waren, so hatten sie doch für die spätere Kulturentwickelung
eine grosse Bedeutung. Durch sie wurde der Handelsgeist der
untergegangenen Hansa wieder wach. Der Verkehrskreis wurde
um einen neuen Welttheil erweitert, der Zug der deutschen
Auswanderer nach Holland, dann weiter nach Neu-Amsterdam
gerichtet, die Grundlage zu der jungen Hansastadt gelegt, welche
im Laufe von dritthalb Jahrhunderten alle Städte des europä-
ischen Festlandes überflügeln sollte. Mit einem Wort, es wurde
die Vorbereitung gemacht zu einem unaufhörlichen, beständig
wachsenden Einströmen rein deutscher Kultur und deutschen
Lebens.
Also kam es, dass im 17. Jahrhundert, als Deutschland
von Ludwig XIV. ruchlos verheert und verwüstet wurde, die
Tausende von verfolgten und vertriebenen Protestanten sich
(1)   Kapps „Geschichte der deutschen Einwanderung in Amerika" entnommen.
59
nach Holland flüchteten um sich dort nach England und
Amerika einzuschiffen. Auch die verfolgten Pfälzer, welche
auf Veranlassung der Königin Anna nach England, Irland
und den englischen Besitzungen in Nordamerika auswanderten,
wurden durch das Beispiel der Holländer angeregt und ermun-
tert
VERPFLANZUNG DEUTSCHER KULTU®ELEMENTE NACH
PENNSYLVANIEN.
Wer den ununterbrochenen Entwicklungsgang des deut-
schen Wesens, besonders der deutschen Kultur, auf amerika-
nischem Boden verfolgen will, muss seinen Blick nicht nach
Neu-Niederland, welches im beständigen politischen Wirrwarr
wankte, noch nach Neu-England, wo der strengste, intoleran-
teste Puritanismus herrschte, sondern vielmehr nach dem geseg-
neten Pennsylvanien, wo William Penn die Wilden des Urwal-
des und die Kinder des Lichtes in einem festen Friedensbund
einschloss, und den Verfolgten jeder Nation, jedes Glaubens
ein friedliches Asyl anbot.
Während die deutschen Auswanderer nach Neu-Niederland
zum grossen Theil Abenteurer waren, welche ihr Glück in der
neuen Welt suchten, waren die meisten, die sich in Pennsyl-
vanien niederliesen, aus religiösen Gründen nach Amerika aus-
gewandert, um dort eine neue Heimat zu gründen und weit
entfernt von dem blutdürstigen Verfolger ein ruhiges Leben
im eiche der Wilden zu führen. Also kamen allerlei religiöse
Sekten aus vielen Theilen des Vaterlandes nach Penns Provinz
und verpflanzten die Kultur der alten Heimat auf amerikani-
schen Boden.
Wohnten einzelne Deutsche unter den Ansiedlern Neu-
Niederlands zerstreut, so bestand doch keine eigentliche deutsche
Ansiedlung im Staate Neu-York. Deutschland hatte damals
wie jetzt keine Besitzungen im ganzen Nordamerika, und war
übrigens nicht im Stande eine amerikanische Kolonialpolitik
zu unterhalten. Während England, Holland, Schweden und
Frankreich grosse Gebiete in Besitz nahmen, musste Deutsch-
land auf jede Hoffnung verzichten, Eroberungen in Amerika
zu machen, und schweigsam zusehen, wie seine hilflosen Söhne
das Vaterland verliessen um Schuta unter fremden Flaggen zu
suchen. Es waren also und blieben alle in Amerika gegrün-
deten deutschen Kolonien ohne jeden politischen Anschluss an
das Vaterland.
Die ersten und zugleich der Kern der eigentlichen deut-
schen Ansiedlungen in Nordamerika waren diejenigen, welche
in Pennsylvanien angelegt wurden, und zwar auf Veranlassung
des toleranten Menschenfreundes William Penn, der im Jahre
1671 und 1677 Deutschland und besonders das Rheinland be-
reist hatte. Es waren diese ersten Deutschen zum grössten
Theil religiös gesinnte Leute, welche den verfolgten Sekten
angehörten, also Wiedertäufer, Mennoniten, Schwenkfelder,
Pietisten und Mystiker verschiedener Art.
Es waren meistens so zu sagen Sekten-Ansiedlungen, welche
den ursprünglichen Kern des eigenthümlichen, noch fortleben-
den Deutschthums in Pennsylvanien bildeten. Die bedeutend-
sten unter ihnen waren der Reihe nach die Quäker, besonders
Krefelder, welche unter Pastorius Leitung die Stadt German-
town anlegten; die „Erweckten," welche die wunderliche My-
stiker-Gemeinde „Das Weib in der Wüste," am idyllischen
Wissahickon, gründeten; die Pfälzer Hugenotten, die sich in
den Jahren 1704—1712 in der Nähe von Oley, in der Graf-
schaft von Berks niederliessen; die Mennoniten, die in dem
Jahre 1712 im Pequeathal, in der jetzigen Lancaster Grafschaft,
Land kauften; die Schwarzenauer Täufer, die sogenannten
„Tuuker," „Dunker," oder „Dunkards," welche im Jahre 1719
nach Pennsylvanien kamen und sich in Philadelphia, German-
town, Oley und besonders in Conestoga und Mühlbach in der
Lancaster Grafschaft niederliessen; die Schoharie Pfälzer, welche
nach zehnjährigem Aufenthalt in Schoharie im Staate Neu-
York ihre Wanderung wieder weiter nach Pennsylvanien fort-
setzten und sich im Jahre 1723 in Tulpehocken ansiedelten;
die Schwenkfelder, die im Jahre 1734 Ansiedlungen in den
angrenzenden „Townships" der Grafschaften von Berks, Mont-
gomery und Lehigh anlegten; die Herrnhuter, welche unter
der Leitung Peter Boehlers nach Georgien ausgewandert waren
und im Jahre 1740 und 1745 nach Pennsylvanien kamen, wo
sie Bethlehem gründeten und sich in der Umgegend nieder-
liessen. Ausser diesen Sekten-Ausiedlungen wanderten auch
eine grosse Menge Lutheraner und Reformirte nach Pennsyl-
61
vanien aus and liesseil sich unter den übrigen deutschen Ko-
lonisten nieder, ohne jedoch scharf begrenzte Ansiedlungen
zu bilden.
Vergleichen wir die Kolonie der Niederländer in Neu-Nie-
derland mit der von Pennsylvanien, so finden wir gewaltige
Unterschiede. Jene wurde auf Veranlassung einer grossen
Handelsgesellschaft und unter dem Schütze einer fremden Re-
gierung, der holländischen, gegründet und hatte sowohl kauf-
männische als auch politische Ziele; diese wurde durch den
Einfluss eines Privatmannes, des Menschenfreundes William
Penn, von einzelnen Gemeinden und Familien angelegt und
hatte hauptsächlich landwirtschaftliche und industrielle
Zwecke. Jene hatte nur eine anerkannte Kirche, die hollän-
dische Reformirte, diese hatte keine einheitliche von der Pro-
vinz vorgeschriebene Kirche, gewährte dagegen jeder Religions-
form, jeder Sekte, ja sogar jeder Gemeinde unbeschränkte
Glaubensfreibeit und nahm die Verfolgten und Vertriebenen,
wess Glaubens und Landes sie auch sein mochten, unter ihren
Schutz. Jene musste gewissermassen das Schicksal der hollän-
dischen Oberherrschaft in dieser Provinz theilen und endlich
der Macht der heranrückenden Engländer weichen; diese hatte
im Stillen tiefe Wurzel geschlagen, wuchs gleichsam unab-
hängig von der Regierung heran, bekümmerte sich sogar nicht
so sehr um dieselbe, so lange es sich nur um die Verwaltung
der Provinz und deren Verhältniss zu England handelte, und
hat sich in Folge dessen in ihrem eigenthümlichen deutschen
Karakter zum grossen Theil bis auf den heutigen Tag erhal-
ten, so dass man die ununterbrochene Entwicklung der ersten
rein deutschen Kolonie in Nordamerika beinahe zwei Jahr-
hunderte hindurch verfolgen kann.
Betrachten wir einen Augenblick die Kulturzustände der
ersten deutschen Ansiedler in Pennsylvanien.
Im
Jahre 1683 war Pennsylvanien noch mitten im Reiche
der Wilden. Freilich hatten Holländer und Schweden schon
im Jahre 1648 das „Uplandt," das nachmalige Chester, ange-
siedelt, aber die Kulturkinder waren noch nicht über die nahen
Ufer des Delaware-Flusses hinausgewandert Vom Delaware
bis zum Susquehanna herrschten die Naturkinder, die Völker
der Rothhäute. In den drei folgenden Jahrzehnten breiteten
62
die deutschen Pioniere sich über das ganze Gebiet dieses mit
amerikanischen Urvölkern bewohnten Landes aus. Die eng-
lischen Quäker haben freilich viel dazu beigetragen, dieses
fruchtbare Land dem deutschen Einwanderer zugänglich zu
machen, aber den deutschen Ansiedlern gebührt doch die Ehre,
die dunkeln Urwälder in blühende Landschaften verwandelt zu
haben. Mit den einwandernden Deutschen kamen Gewerbe und
Industrien, welche noch heute in der pennsylvanischen Kultur
unverkennbar sind.
Ackerbau.
Pennsylvanien, wie vielleicht kein anderer Staat der Union,
rühmt sich mit Recht seiner herrlichen Ackerbauprodukte.
Mancher Reisende bewundert, mit keuchendem Eisenross vor-
übereilend, die blühenden Kornfelder, glatten Heerden und
stark gezimmerten Scheunen dieses Staates, ohne zu bedenken,
das wir das zum grossen Theil deutschem Fleiss und deutschem
Schweiss zu verdanken haben. Schon die ersten deutschen
Ansiedler in Pennsylvanien waren oder wurden meistens Acker-
bauer. Nach einem Bericht in dem Frankfurter Mess-Kalen-
der von Ostern bis Herbst 1709, S. 90, machte die Zahl der
Ackerbauer ungefähr vier Fünftel der auswandernden Deut-
schen aus. Die Stelle lautet also:
„Von der Mitte April 1709 bis zur Mitte Juli desselben
Jahres kamen 11,294 deutsche Protestanten beiderlei Geschlech-
tes in London an: 1838 Ackerbauer und Winzer, 78 Bäcker,
126 Maurer, 124 Zimmermeister, 68 Schuhmacher, 99 Schneider,
29 Metzger, 45 Müller, 14 Gerber, 7 Strumpfweber, 13 Sattler,
2 Glasbläser, 3 Hutmacher, 8 Kalkbrenner, 18 Schulmeister,
2
Kupferstecher, 3 Ziegelbrenner, 2 Silberarbeiter, 22 Schmiede,
3 Hirte, 48 Grobschmiede, 3 Töpfer, 6 Drechsler, l Bildhauer,
und 2 Wundärtzte. Von dieser Zahl waren 2556 welche Fa-
milien hatten."
(1)
Gewerbe und Industrie.
Ans dem eben citirten Bericht erhellt, dass ansser den
gewöhnlichen Handwerkerklassen, Zimmermeistern, Schuhma-
chern, Schneidern, Metzgern, u. s. w., welche noch heute zum
(1)   Zurückübersetzt aus  dem Englischen ins Deutsche,  da mir das Original
nicht mehr zugänglich war.
63
bedeutenden Theil aus Deutschen bestehen, auch Strumpf-
weber, Müller, Gerber, Glasbläser, Schmiede, Töpfer, Kalk-
brenner, Maurer vertreten waren. Schon mit den Pionieren
also wanderten deutsche Gewerbe nach Pennsylvanien aus.
Neben dem Rauch des Wigwams stiegen die Funken der deut-
schen Schmiede auf; neben dem Stossen der Indianermörser-
keule ertönte das Mahlen der deutschen Mühle; neben dem
unheimlichen Geschrei der Wilden erklang das friedliche Klap-
pern des deutschen Weberschiffleins; neben dem alten Natur-
leben blühte ein neues und zwar ein deutsches Kulturleben
auf. Professor Seidensticker
(1)
hat darauf aufmerksam gemacht,
dass die Leinweber und Strumpfwirker in Germantown schon
vor dem Jahre 1700 berühmt geworden, dass der erste Schrift-
giesser im Lande Christoph Sauer war, die ersten Papiermüller,
Klaus und Wilhelm Rittenhaus in Germantown. Welcher
stolze Eisen- oder Eisenbahnkönig in Pennsylvanien bedenkt
heute, dass er den Anfang seiner Millionen einbringenden In-
dustrie zum grössten Theil deutschen Eisenmeistern in Lan-
caster und Berks counties zu verdanken hat?
Religion und Erziehung.
Das Hauptelement aber der nach Pennsylvanien verpflanzten
Kultur war die deutsche Sprache und die deutsche Bildung.
Die Bildung war es, durch die Kirche vermittelt und fortge-
pflanzt, welche dem Deutschthum in Pennsylvanien einen dauern-
den fast unvertilgbaren deutschen Karakter gab. Schon Löher
(2)
hat darauf verwiesen, dass die deutschen Kolonisten in Penn-
sylvanien eine viel höhere Bildung mit sich brachten als ihre
englisch, schottisch und irisch sprechenden Nachbarn. ,,In
Grossbrittanien" (fährt er fort) „war damals eine Dorfschule
etwas ungewöhnliches, in Deutschland erschien den Landleuten
der Schulmeister eben so unentbehrlich zur Gemeinde als der
Pfarrer und Küster." So war es auch bei den ersten deutschen
Ansiedlern in Pennsylvanien. Die Schulen waren Gemeinde-
schulen und gewöhnlich mit ausgebildeten Lehrern versehen.
In den oben citirten Bericht finden wir 18 Schulmeister auf-
gezählt. Also entstanden bald unter den verschiedenen Religions-
genossenschaften eigene Schulen. Im Jahre 1733 wurde das
(1)   „Geschichtsblätter," S. 255.
(2)   „Geschichte und Zustände der Deutschen in Amerika," S. 133 ff.
64
Ephratenserkloster zu Ephrata errichtet.    Im Jahre 1740 wur-
den in  Warwick und  darauf in Nazareth und Litez Herrn-
huterschulen gegründet.    Auch in Lancaster, Philadelphia und
anderen  Städten  entstanden deutsche  Schulen. Sagt Löher;
,,Die Sitze der Ephratenser und der ändern deutschen Prediger
waren auch die Sammelplätze, wo die gebildeteren Männer im
Lande gern ihre Messestunden feierten. Die Schulen in Penn-
sylvanien standen, einige unter Quäkern und Wälschen ausge-
nommen, unter  deutschen  Lehrern.    Man gab den deutschen
Predigern in  Amerika gern  den  Doktorgrad,   um sie für die
theologischen Professuren zu gewinnen". Unter den Trägern
der deutschen Bildung in Pennsylvanien im  18. Jahrhundert
waren   viele   wissenschaftlich  gebildete  Männer,   die  für  die
gelehrtesten Leute in ganz Amerika galten.    Selbst die Semi-
naristen   von   Harvard  College  mussten   sich  wundern,   dass
diese deutschen  Gelehrten „Latein so  fertig als ihre Mutter-
sprache sprachen." Man braucht nur an Vater Otterbein, den
Bischof Ashburton, einen der „grössten Gelehrten und Theolo-
gen die jemals nach Amerika kamen oder dort (hier) geboren
wurden";  an  Dr.  Kuntze, ,,den   sogenannten  Begründer der
hebräischen und orientalischen Sprachwissenschaft in Amerika"
zu erinnern.
(1)
Viele deutschen Prediger in Pennsylvanien schickten ihre
Söhne auf die deutschen Universitäten, damit sie die höchste
Bildung des Vaterlandes genössen und nach ihrer Rückkehr
das deutsche Wesen erhielten und erweiterten.
Erziehungs- und Organisationversuche.
Schon im Jahre 1742 machte der grossherzige Menschen-
freund Graf Zinzendorf einen Versuch das Schulwesen in Penn-
sylvanien zu verbessern, indem er ein Aufrufschreiben verbrei-
tete, welches also lautet: „Allen teutschen Eltern auf dem
Lande, welche ihre Kinder gerne besser besorgt sähen ohne
Hinderniss ihres Hauswesens, gedenkt man einen einfältigen
und herzlichen Vorschlag zu thun, am nächstfolgenden 6 tea
April 1742, Nachmittags um l Uhr, womach sich des Heils
ihrer Kinder begierige Väter oder Mütter in allen Townships
zu richten belieben und sich desshalben zu besagter Zeit und
Stunde au Bechtels oder Höffners Lehmauns Hause in German-
(1)   Vgl. Löher, S. 135 ff.
65
town melden wollen. Wer selbst nicht kommen kann, der
wolle seine Meinung jemand Anders auftragen. Germantown,
am 22. May 1742."
Freischulen.
Bald darauf, also im Jahre 1751, bildete sich eine Gesell-
schaft von Menschenfreunden, aus Holländern, Engländern,
Amerikanern bestehend. Die Mitglieder in England waren
meistens Leute von hohem Adel, in Amerika Männer wie
James Hamilton, William Allen, Richard Peters, Benjamin
Franklin, Conrad Weiser, William
Smith. Sagt Seidensticker:
(1)
„Michael Schlatter, ein reformirter Prediger, hatte den Anstoss
gegeben; der Rev. Thompson durchreiste als Missionär des
Vereins England und Schottland. Die egyptische Finsterniss
in Deutsch-Pennsylvanien muss herzzerreissend geschildert sein,
denn der König von England *** gab 1000 Pfund, die Prin-
zessin von Wales steuerte 100 Pfund bei und die englische
Aristokratie half ebenfalls bereitwillig,"
Es wurden
also zwischen Februar und Mai 1755 durch
die Gesellschaft und deren Rath (aus Franklin, Weiser, Smith,
Peters, Schlatter und andern bestehend), Schulen in New Han-
over, Providence (Trappe), Reading, Lancaster, Skippack, Go-
schenhoppen, York und andern. Orten errichtet. Im Jahre
1759 zählten diese Schulen etwa 700 deutsche Kinder. Es
heisst im Bericht: „Die Jugend soll in der englischen und
deutschen Sprache, im Schreiben, Rechnen, Psalmensingen
und in den wahren Grundsätzen der heiligen protestantischen
Religion unterrichtet werden.
(2)
Die Errichtung dieser Freischulen aber gab Veranlassung
zu grossen politischen und sozialen Streitigkeiten. Die Deut-
schen widersetzten sich und die Opposition fand in Christoph
Sauer, dem deutschen Drucker, ihren Hauptvertreter. Durch
Sauer's
Widerstand und Smith's Verunglimpfung der Deutschen
gerietben die Schulen in Verfall und wurden schon im Jahre
1762 völlig aufgelöst.
Ehe wir zur späteren Entwickelung der deutsch-pennsyl-
vanischen Kultur übergehen, sei es gestattet aus dem reichen
Vorrathe gleichzeitiger Werke einige interessante und wertvolle
Zeugnisse aus der Mitte des vorigen Jahrhunderts vorzuführen.
(1)   „Geschlchtsblätter," S. 183.
(2)   Seidensticker, „Geschichtsblätter," S. 183.
66
Von dem Anfang des 18. Jahrhunderts an, wurde die
Musik von den Deutschen in Pennsylvanien eifrig gepflegt.
Ein handschriftliches Exemplar von
Johann Kelpius Hymnen
aus dem Jahr 1705 wird in der Bibliothek der Pennsylvania
Historical Society in Philadelphia aufbewahrt. Die Ephratenser
nahmen die von Kelpius niedergelegte Leier wieder auf. Aus
der berühmten von Prof. Seidensticker und andern, viel be-
sprochenen Ephratenser Chronik
(1)
führen wir folgendes über
die Einführung dieser Singschule an: "Ehe noch der Anfang
gemacht wurde, hat er (der Musiklehrer) eine scharfe Unter-
suchung angestellt in Ansehung derer Dingen, welche mensch-
licher Stimme schädlich oder
beförderlich sind, da er dann
alle Obst-, Milch-, Fleisch-Speisen etc. als der Stimme schädlich
erkläret.
Man sollte gedacht haben, er hätte dieses aus Py-
thagoras Schule entlehnt, um also seinen Schülern die thierische
Art des Fleischessens, welcher er nie günstig war, abzugewöh-
nen. Als er dieses Alles den Brüdern zur Untersuchung vor-
legte, bemerkten sie, dass er einige Worte, darinnen er die
Weiberliebe auch als der Stimme schädlich angab, mit der
Feder ausstrich, auf Befragen: Warum er solches gethan,
sprach er: Es möcht sich jemand daran ärgern; aber mit Gut-
befinden der Brüder ist dieser Satz beybehalten, und die Schrift
dem Gesaugbuch als eine Vorrede beigefügt worden."
Die deutsche Presse in Pennsylvanien.
Die Bedeutung des frühesten deutschen Buchwesens in
Pennsylvanien kann nicht leicht überschätzt werden da die ersten
Drucke so genau den Zustand und das Streben der damaligen
deutsch-pennsylvanischen Kultur ausdrücken. Der Karakter
dieser Kultur tritt selbst in den Titeln der ersten in Penn-
sylvanien gedruckten Bücher zu Tage. Man betrachte nur
diejenigen, welche vor dem Jahre 1743 erschienen:
1728—Das Büchlein vom Sabbath.   Von Conrad Beissel. Philadelphia.
Neun und neunzig mystische Sprachen. Von Conrad Beissel.
Philadelphia.
1730—Das Ehebüchlein.  Von Conrad Beissel.  Philadelphia.   B. Franklan ?
—Göttliche Liebes und  Lobesgethöne,  Welche   in   dem   Herzen   der
Kinder der Weisheit zusammen ein  Und von da wieder ausgenos-
sen.   Zum Lob Gottes Und nun  von  denen   Schülern der himm-
lischen   weiszheit zur erweckung und aufmunterung   in   ihrem
(1)   S. 137.
67
Creutz und leiden aus herzlicher liebe mitgetheilt, Dann mit lieb
erfüllet sein bringt Gott den besten Preisz und giebt zum singen
uns die allerschönste weisz. Zu Philadelphia gedruckt bey Benja-
min Franklin in der Marckstrasz.
—Der Teutsche Pilgrim mitbringende seinen sitten Calender. Auf das
Jahr nach der gnaden reichen geburt unsers Herrn und Heylandes
Jesu Christi MDCXXXI (welches ein gemein jähr von 365 tagen
ist) Auf den Pennsylvanischen Meridiaaum gerichtet jedoch in de-
nen beiliegenden Orten,
ja von Newfoundland an
bis Carolina ohne
mercklichen Unterschied gar wohl zu gebrauchen. Zum ersten
mahl heraus gegeben. Zu Philadelphia gedruckt bei Andreas Brad-
ford.
1731— Dasselbe für das Jahr 1732.
1732—Philadelphische Zeitung.    Philadelphia, B. Franklin.
—Der Teutsche Pilgrim *** auf das Jahr 1733.
—Vorspiel der Neuen-Welt, welches sich in der letzten Abendröthe
als ein paradisischer Lichtes-glanz unter den Kindern Gottes her-
vorgethan. In Liebes, Lobes, Leidens, Kraft und Erfahrungslie-
dern abgebildet, die gedrückte, gebückte und Creutztrageude Kirche
auf Erden ***. Zu Philadelphia gedruckt bey B. Franklin in der
Marckstrass.
1736—Jacobs Kampf- und Ritter-Platz  ***.    Zu  Philadelphia gedruckt
            bei B. F.
1738—EIN A.B.C. und Bachstabierbuch bey allen Religionen ohne billi-
gen Anstoss zu gebrauchen.   Germantown, Chr. Sauer.
—Der Fruehling ist herbey gekommen.   2 Seiten.
—Mein Heyland der bist mir.   2 Seiten.
—Oft hast du mir zugerufen.   l Blatt.   Germantown, Chr. Sauer, 1738.
1739— DER EHEMALS verdorrete; nun aber wieder grünende und Frucht-
tragende Ruthe Arons.    Germantown, Christoph Sauer.
DER HOCH-DEUTSCH-Amerikauiache Kalender. ***.
1743—Biblia. Sauer.
In den ersten in Pennsylyanien gedruckten Büchern kommt
auch der pietistische Karakter des religiösen Lebens jener Zeit
zum Ausdruck.    Ausser den schon erwähnten Werken braucht
man nur  an   die  von   Sauer   veröffentlichten separatistischen
Gesangbücher,   den  „Ausbundt"   (1742)  für die  Mennoniten,
das „Kleine Davidische Psalterspiel"  (1744) für Dunker,  das
„Neueingerichtete Gesangbuch" (1762) für Schwenkfelder, und
au Werke mystischen  Inhalts wie das eigenartige Werk Con-
rad Beissels, „Zionitischen Stiftes erster Theil, oder eine wohl-
68
riechende Narde, die nach, einer langen Nacht in der herrlichen
Morgenröthe ist aufgegangen", Ephrata 1745 (vergleiche auch
den anderen  Theil  desselben  Werkes)  und  „Das Gesäng der
Einsamen und Verlassenen Turteltaube" von demselben Ver-
fasser  (Ephrata  1747);
(1)
an  das  „Geistliche   Blumengärtlein
inniger Seelen" (1747), Loviguys „Verborgenes Leben mit Chri-
sto" und Hoburgs  „Postille"   (1748)  zu  erinnern.   Nach der
Sauer'schen Bibel steht als Erbauungsbuch der Deutsch-Penn-
sylvanier des vorigen Jahrhunderts ohne Zweifel Johann Arndt's
„"Wahres Christenthum," das in Grossoktav, 1356 Seiten, zu 12
Schilling im Jahre 1751 in Philadelphia „gedruckt und verlegt
bei   Benjamin   Franklin   und Johann  Böhm"   erschien,
(2)
am
nächsten.     Unter   den  Werken  weltlichen  Inhalts  verdienen
folgende erwähnt zu werden: ein „Leben Friedrichs des Gros-
sen" (1761), und „Eine nützliche Anweisung oder Beyhülfe
vor die Teutschen um Englisch  zu lernen:   Wie es vor Neu-
Ankommeude und andere im Land gebohrne Land- und Hand-
werks-Leute,   welche   der  englischen   Sprache  erfahrene  und
geübte  Schulmeister  und   Preceptores  ermaugeln;  mit  ihrer
gewöhnlichen Arbeit und Werkzeug erläutert, nebst einer Gram-
matic, vor diejenigen, welche in ändern  Sprachen und deren
Fundamenten erfahren sind.    Germantown.    Gedruckt und zu
finden bei Christoph Sauer 1751."    Die dritte Auflage dieses
höchst interessanten Lehrbuches erschien  schon 1772. Auch
auf dem  Gebiete der  deutsch -pennsylvanischen   Journalistik
scheint Christoph Sauer bahnbrechend gewesen zu sein, indem
er am 30. August 1739 ein Blatt unter dem Titel: ,,Der Hoch-
deutsch. Pennsylvanische Geschichts-Schreiber, oder Sammlung
wichtiger Nachrichten aus  dem Natur- und Kirchen-Reich"
herausgab.    Das Blatt hat eine Bedeutung nicht nur als Pionier
unter den deutsch-amerikanischen Zeitungen, sondern auch viel-
mehr als eins der werthvollsten Zeugnisse des Kulturzustandes
der   damaligen   Zeit.     Es liesse  sich   ein   sehr interressanter
Vergleich zwischen den in diesem Blatt besprochenen Fragen
und den von Mittelberger
3)
geschilderten amerikanischen Ver-
hältnissen derselben Zeit anstellen.
(1) Vgl. Eickhoff S. 154-5; Seldensticker "Geschichtsblätter" S. 169 ff.
(2) Vgl. „Hallische Nachrichten," Neue Ausg. I, 873.
(3) Vgl. den Verfasser über „Gottlieb Mlttelbergers Reise nach Pennsylva-
nien."
Bericht d. G. f. <1. G. d. D. in Md., 1891.
69
Also um die Mitte des 18. Jahrhunderts hatte das penn-
sylvanische Deutschthum drei Mittelpunkte für deutsche
Bücher: die Franklin'sche Druckerei in Philadelphia, die Sauer-
sche in Germantown und die Klosterpresse in Ephrata, welche
zu gleicher Zeit trotz der damals herrschenden mystisch-pietis-
tischen Tendenz, glänzende Brennpunkte der deutschen Kultur
wurden.
Die schwere Kriegszeit der dreissig Probejahre von 1753
bis 1783 ist vorüber. Die Deutschen in Nordamerika haben
zwei blutige Kriege durchgemacht und sich grosser Helden-
thaten fähig gezeigt. In dem französisch-indianischen Kriege
bewiesen sie sich als treue Unterthanen der englischen Krone; in
dem Revolutions kriege haben sie heldenmüthig für amerikani-
sche Freiheit gekämpft und das Recht eines freien amerikani-
schen Bürgers glänzend gewahrt.
In dem im Jahre 1763 an England abgetretenen franzö-
sischen Ohio-Gebiete hatten die Herrnhuter, Post und Hecke-
walder, schon 1761 einen Missionsversuch gemacht. Im Jahre
1768 gründete David Zeisberger, der Herrnhuter-Apostel der
Indianer, eine Indianer-Gemeinde zn Goshocking am Alleghany-
fiusse. Also durch diese Pioniere wurde dem schwellenden
Strom der einwandernden Deutschen das Thor
des bis dahin
unerforschten Westens geöffnet, durch welches seitdem deutsche
Kultur und deutsches Leben ihren Weg nach den fruchtbaren
Regionen des Mississippi-Thales gefunden haben, und jenseits
der Alleghany-Gebirge ein neues Deutschland ins Leben ge-
rufen. Hier ist nicht der Ort auf die eigenthümliche Kultur-
entwickelung des Deutschtums im Westen weiter einzugehen,
kehren wir nach Pennsylvanien zurück.
Während der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts breite-
ten die Deutschen in Pennsylvanien sich über die westlichen
und nördlichen Counties aus, kamen immer mehr und mehr
mit den einströmenden Neu-Engländern in Berührung und
lösten sich mehr und mehr von dem Vaterlande ah. Da eng-
lisch überall als Geschäftssprache anerkannt wurde, drohte die
deutsche Sprache bald unterzugehen. Um also das Deutsche
zu erhalten, wurden in den Städten neue Schulen errichtet
und alte Anstalten verbessert. Eine der einflussreichsten
70
Einrichtungen dieser Zeit war die deutsche Gesellschaft von
Pennsylvanien, welche im Jahre 1764 gegründet wurde. Prof.
Seidensticker haben wir eine vortreffliche Geschichte dieser
Gesellschaft zu verdanken. Die Gründang derselben hat eine
solche hohe Bedeutung für deutsche Kulturentwicklung in
Pennsylvanien und in Amerika überhaupt, dass ich mir erlaube
den Vorbericht und den Zweck dieser Gesellschaft kurz vor-
zuführen. Was folgt ist Seidenstickers Werk entnommen :
„In Nomine Domini nostri Jesu Christi. Amen! Wir, Seiner
königlichen Majestät von Gross-Brittanien teutsche Unterthanen in
Pennsylvanien, sind bei Gelegenheit der Mittleidenswürdigen Umstände
vieler unserer Landsleute, die in den letzten Schiffen von Europa in
dem Hafen von Philadelphia angekommen sind, bewogen worden,
auf Mittel zu denken, um diesen Fremdlingen einige Erleichterung
zu verschaffen und haben mit unserer Vorsprache und einem geringen
Beitrage in Gelde manchen Neukommern ihre Noth etwas erträglicher
gemacht.
Dies hat uns auf den Schluss gebracht, so wie wir zusammen gekom-
men sind, zusammen zu bleiben, eine Gesellschaft zur Hülfe und Bey-
stand der armen Fremdlinge Teutscher Nation in Pennsylvanien zu
errichten und einige Regeln fest zu setzen, wie dieselbe Gesellschaft
von Zeit zu Zeit sich vermehren und ihre Gutthätigkeit weiter und
weiter ausbreiten möge." (S. 40.)
In dieselbe Zeit (1773) fällt die Gründung des deutschen
Seminars in Philadelphia durch Pastor Kunze, der einige Jahre
später (1780) die bedeutende Aenderung im Lehrplan der Uni-
versität Pennsylvanien durchsetzte, „dass alle gelehrten Sprachen
und Anfangswissenschaften von dem deutschen Professor in
deutscher Sprache vorgetragen werden sollten. "
(1)
Bald nach-
her (1787) wurde die „Deutsche Hohe Schule und Freischule"
("Franklin College") zu Lancaster eröffnet.
DEUTSCHE KULTURENTWICKELUNG IN MARYLAND.
Den Mittelpunkt der deutschen Kulturentwickelung im
Staate Maryland ("Terra Mariae") bildet unsere herrlich gele-
gene Stadt der Monumente Baltimore. Bis vor Kurzem lag die
Geschichte des Deutschthums in Maryland tief in den Archiven
verborgen. Im Jahre 1886 aber wurde der „Verein zur Erfor-
schung der Geschichte der Deutschen im Staate Maryland," der
(1)   Vgl. Eickhoff, „In der neuen Heimath," S. 179 ff.
71
Pionier auf diesem Gebiete in
den Vereinigten Staaten, gegrün-
det. Den fleissigen Mitgliedern dieses Vereins, deren scharfem
Auge die mit Staub bedeckten Archiven nicht zu entgehen ver-
mögen, haben wir schon die Aufdeckung mancher werthvollen
Schätze zu verdanken. Ein Jahr später, also 1887, erschien
durch Anregung dieses Vereins das unentbehrliche Werk:
„Baltimore, seine Vergangenheit und Gegenwart."
Ueber die
Zahl der Deutschen in Baltimore sagt dieses Werk (S. 85):
„Immerhin darf man eine rein deutsche Bevölkerung von
80,000 Seelen annehmen." Es bilden diese Deutschen einen
bedeutenden Theil der ganzen Bevölkerung der Stadt und üben
einen grossen Einfluss auf deren industrielle, soziale und gei-
stige Entwicklung aus. Schon 1710—1712 kamen deutsehe
Auswanderer nach Maryland und liessen sich zwischen Mono-
cacy und den Bergen nieder. Die von ihnen angelegte Ansied-
lung breitete sich bald nach den „Glades," Middletown und
Hagerstown aus. In den Jahren 1748—1754 aber wanderten
etwa 2800 Deutsche nach Maryland aus, deren viele sich in
Baltimore niederliessen. Von dieser Zeit an nimmt das Deutsch-
thum in Baltimore jährlich zu. Es siedelten auch viele Penn-
sylvanisch-Deutsche nach Baltimore und den vorhin erwähnten
Ansiedlungen im westlichen Theile des Staates über.
(1)
Aus
dem ebengenannten Buche (S. 13) erfahren wir Folgendes:
„Die Deutschen, welche sich vor dem Unabhängigkeitskriege
hier ansiedelten, waren bis auf vereinzelte über England ausge-
wanderte Pfälzer, keine direkten Einwanderer. Sie kamen meist
aus Lancaster, Reading und York, Pennsylvanien, und nicht
wenige waren bereits von deutschen Eltern im Lande geboren
(wie z. B. die Bohns, Slingluffs, Stouffers und Andre), aber sie
hielten zäh an deutscher Sprache und Sitte, und wie fest sie
auch an dem Vaterlande hingen, sie schämten sich nicht
Deutsche zu sein. Erst nach dem Frieden von Versailles er-
hielt Baltimore eine direkte deutsche Einwanderung, die opu-
lenten Kaufleute der alten Hansastädte Bremen und Hamburg
begannen hier Filialen zu gründen und expedirten ihre Schiffe
hierher, welche der Stadt und dem Staate manche werthvolle
lebendige Fracht zuführten."
(1)  Ich freue mich jetzt auf den vortrefflichen Artikel des Herrn Hennig-
hausen über "The Germans in Western Maryland" verweisen zu können.
72
Bedenke man die phänomenale Entwickelung des deutschen
Wesens in Baltimore seit 1748. In jenem Jahre wurde die
erste deutsche Bierbrauerei errichtet; im Jahre 1762 wurde
die erste deutsche Kirche erbaut; in den 80'er Jahren des
vorigen Jahrhunderts wurde die erste deutsche Zeitung, die
„Baltimore-Post", herausgegeben; im Jahre 1817 wurde die
erste deutsche Gesellschaft von Maryland ins Leben gerufen;
im Jahre 1836 wurde der Liederkranz gegründet; auch in den
40'er Jahren wurde das erste Theaterstück
in deutscher Sprache
aufgeführt; im Jahre 1850 wurde der SOC.
Dem. Turnverein
gegründet; im Jahre 1874 wurde die erste öffentliche englisch-
deutsche Schule eröffnet, und damit die deutsche Sprache von
der Schulbehörde anerkannt nnd in den Unterrichtsplan aufge-
nommen. Heute rühmt sich das hiesige Deutschthum eines
Handelsverkehrs, der diese Stadt zur stolzen Tochter der alten
Hansa erhoben hat; einer Industrie, welche ihre Waaren nach
allen Welttheilen hinausschickt; einer Presse, welche tägliche
Nachricht aus der alten und der neuen Heimat bringt; eines
Kirchen- und Schulwesens, welches die geheiligten Schätze der
vaterlandischen Religion und Kultur nachkommenden Genera-
tionen fortpflanzt; einer Musikkunst, deren Harmonien die
treuen deutschen Herzen zweier Kontinente in Einklang ver-
einigen.
Das deutsche Volk ist dazu berufen in Amerika ein zweites
ideales Vaterland zu gründen. Die Grenzen der alten Heimat
werden ihm seit Jahrhunderten zu eng. Zur Zeit der Völker-
wanderung rückte es in die blühenden Provinzen der Römer
ein; zur Zeit der Kreuzzüge bemächtigte es sich der Slaven-
länder, der Ostseeprovinzen; seit dem 17. Jahrhundert sendet
es seine theueren Söhne zu Tausenden nach Amerika aus.
Es haben sich aus diesen Bewegungen zwei mächtige Na-
tionen gebildet. Aus den Wanderungen und Umwälzungen in
Europa selbst erwuchs das grosse erneute deutsche Reich jener
Heldentrilogie, Kaiser Wilhelms I., Bismarcks und von Moltkes.
Aus den nach der neuen Welt verpflanzten Ablegern der
alten Stämme geht eine geistige Nation hervor, welche die
Kulturelemente aller Völker in sich aufnimmt und dieselben
durch die Zauberkraft der deutschen Wissenschaft und Kunst
73
veredelt und verklärt. Darin   haben   Ernst Moritz Arndts
prophetische Worte ihre Erfüllung:
Was ist des Deutschen Vaterland?
So nenne endlich mir das Land!
So weit die deutsche Zunge klingt
Und Gott im Himmel Lieder singt.
Das soll es sein!
Das, wack'rer Deutscher, nenne dein!"
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