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Gottlieb Mittelbergers Reise nach
Pennsylvanien
und ihre Bedeutung als Kulturbild.
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Gottlieb Mittelbergers Reise nach Pennsylvanien
und ihre Bedeutung als Kulturbild.
*)
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VON D®.
M. D. LEARNED.
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ie beiden deutschen Kulturströmungen Pennsylvanien's
und Maryland's haben manche Züge gemein, da sie vom
Anfange des 18. Jahrhunderts an in regem Wechselver-
kehr standen. Erst in die Zeit, wo Mittelberger sich in Penn-
sylvanien aufhielt, in die Jahre 17481754, fällt die grosse
Ansiedlung der nach dem östlichen Maryland einwandernden
Deutschen. Diese Einwanderung bildet den eigentlichen Kern
des Baltimorer Deutschthums. Die erste Einwanderung aber
nach Maryland, nämlich die nach dem westlichen Theile des
Staates, wo später im Jahre 1745 Frederick angelegt wurde,
gehört ganz mit der Kulturentwickelung Pennsylvanien's zu-
sammen und kommt also in dieser Abhandlung in Betracht,
obgleich Mittelberger nur von Pennsylvanien spricht. Es lässt
sich diese erste Hauptströmung deutscher Einwanderer nach
Amerika als eine eigenartige Kulturentwicklung betrachten,
und auf der einen Seite mit der der Neu-Holländer verglei-
chen, auf der anderen Seite mit der der späteren Auswanderer
aus dem jungen Deutschland, die sich in den grossen Städten
des Ostens und im Mississippithale niederlessen.
Fassen wir einen Augenblick die damaligen deutsch-penn-
sylvanischen Verhältnisse in's Auge. Um die Mitte des 18.
Jahrhunderts hatten die Deutschen in Amerika festen Fuss
gefasst und dauernde Ansiedelungen angelegt, besonders in
Pennsylvanien und im westlichen Maryland. In den 70 Jahren
*) Mittelberger's Werk wurde von einem Andern herausgegeben, der in
seiner Vorrede sagt: ,,Man hat in des Verfassers Arbeit nichts geändert, ausser
dass einige Anmerkungen aus ändern angesehenen Schriftstellern, die die Erzeh-
lung
des Verfassers bestätigen,
auf den Rand gesetzt, und die Orthographic nach
der gewöhnlichen Art eingerichtet worden."
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nach der Gründung Germantown's hatte sich die Einwan-
derung der Deutschen beständig vermehrt und die Hauptwege
eingeschlagen, auf denen in den nächsten hundert Jahren
Tausende von Emigranten nach dem weiten Westen gelangen
sollten.
Jede abgesonderte Ansiedlung oder Gemeinde lebte ruhig
für sich hin, unbekümmert um das allgemeine Wohl. Nur
verhältnissmassig unbedeutende Religionsconflikte, wie die zwi-
schen Christoph Sauer, senior, und seinen Zeitgenossen, stör-
ten die Ruhe, Aber schon um die Mitte des Jahrhunderts
machten sich die Anfänge grösserer Conflikte fühlbar. Die
politische Stille sollte bald durch den französisch-indianischen
Krieg gestört werden, und die religiösen Streitigkeiten sollten
bald dem Sturm der Revolution Platz machen. Es ist also
gleichsam der letzte Blick in die Kulturverhältnisse der Ko-
lonisationsperiode, den die Reisebeschreibung des Gottlieb Mit-
telberger uns gewährt.
Gottlieb Mittelberger, aus Enzweyingen in Württemberg
gebürtig, kam im Jahre 1750 nach Pennsylvanien und brachte
daselbst als Organist und Schulmeister *) ungefähr vier Jahre
zu. In seiner Reisebeschreibung sagt er Folgendes über seinen
Aufenthalt und seine Beschäftigung in Pennsylvanien:
Ich bin bey nahe 4 Jahre im Lande gewesen, und wie
nieine Attestaten lauten, als Organist und Schulmeister bey
der teutschen St. Augustiner-Kirche im Amt Providence ge-
standen, und habe daneben bey dem Herrn Capitaine von Die-
mer in der Music und teutschen Sprache Hausinformation ge-
geben." (S. 2.)
Ehe er wieder nach Deutschland zurückkehrte, machte er
sich mit den amerikanischen Verhältnissen näher bekannt und
verfasste bald nach seiner Rückkehr in's Vaterland (1754) eine
Beschreibung seiner Reise unter dem Titel:
"Gottlieb Mittelberger's Reise nach Pennsylvanien im Jahre
1750 und Rückreise nach Teutschland im Jahr 1754. Enthal-
tend nicht nur eine Beschreibung des Landes nach seinem gegen-
*) Mittelberger scheint keine gelehrte Bildung genossen zu haben, wie aus
der Vorrede des Herausgebers seines Werkes erhellt: Von dem Verfasser, der
ein Ungelehrter ist, wird man jenes (d. i., eine zierliche Schreibart nach einer künst-
lichen Ausführung') nicht erwarten."
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wärtigen Zustande, sondern auch eine ausführliche Nachricht von
den unglückseligen und betrübten Umständen der meisten Teut-
schen; die in dieses Land gezogen sind und dahin ziehen. Frank-
furt und Leipzig 1756."
Dieser Bericht hat eben darin besonderen Werth, dass der
Berichterstatter zum grossen Theil als Augenzeuge" schreibt,
wie er selbst sagt:
Ich habe mich um den Zustand des Landes sorgfältig
erkundigt, und was ich hier beschreibe, habe ich theils selbst
erfahren, theils von glaubwürdigen und der Umstände Kun-
digen vernommen." (S. 3.)
Nach einer sehr ausführlichen und lebhaften Schilderung
der gefahrvollen Seereise geht Mittelberger zur Beschreibung
des abscheulichen Menschenhandels *) über. Die direkte "Ver-
anlassung seiner Schrift fand er in dem elenden Zustande
mancher einwandernden Deutschen der damaligen Zeit. Es
war um solche zunächst vor den Misshandlungen und Tücken
der sogenannten ,,Neulander" zu warnen, dass er diese aus-
führliche Beschreibung seiner Reise verfasste, wie aus seinen
eigenen Worten hervorgeht:
Die wichtigste Veranlassung aber dieses Büchleins war
der erbärmliche und kummervolle Zustand derer, die aus
Teutschland nach diesem neuen Land reisen, und das unver-
antwortliche und unbarmherzige Verfahren der holländischen
Menschen-Händler und ihrer ausgesandten Menschen-Diebe,
ich meine die sogenannten Neuländer, dann sie stehlen gleich-
sam die Leute aus Teutschland unter allerhand schönen Vor-
spiegelungen, und liefern sie den holländischen grossen Seelen-
Verkäufern in die Hände." (S. 4)
*) Den Anfang dieses Handels haben wir in der ersten Hälfte des siebzehnten
Jahrhunderts zu suchen (vgl. L. P. Hennighausen's Schrift: "The Redemptioners"
im zweiten Jahresbericht der Ges. f d. G. d. d. In Md. S. 33 ff). Das System aber des
sogenannten Deutschenhandels" in Pennsylvanien nimmt, meines Wissens erst
im Jahre 1728 seinen Anfang. Das hat schon Eichof ("In der neuen Heimath," S.
142) erkannt. Ich citire die betreffende Stelle aus dem Schreiben von Kündig,
Kreibiel und Kaufmann; Nun hat uns aber Oswald Siegfried und Peter Siegfried
zum 2 mal aus Amsterdam geschrieben, dass er einen gewissen Kaufmann in Am-
sterdam habe, der die leit nach Benselfania führen wil, wenn sie schon die Fracht
nicht haben, wenn sie nur durch einander die halbe Fracht ausmachen können :
wenu auch leit seien, die nichts haben, wenn sie nur im Stant seien, dass sie ar-
bolten können, werden auch mitgenommen. Missen davor arbeiten, bis sie 7
½
Bischtolen abverdient haben."
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Lebhaft und rührend ist folgende Schilderung des Deut-
schenhandels:" Der Menschenhandel auf dem Schiff-Markt
geschieht also: Alle Tage kommen Engelländer, Holländer
und hochteutsch Leute aus der Stadt Philadelphia, und sonsten
aller Orten zum Theil sehr weit her, wohl 20, 30 bis 40 Stund
Wegs, und gehen auf das neu angekommene Schiff, welches
Menschen aus Europa gebracht und fail hat, und suchen sich
unter den gesunden Personen die zu ihren Geschäften anstän-
dige heraus, und handeln mit denenselben, wie lange sie vor
ihre auf sich habende See-Fracht, welche sie gemeiniglich noch
ganz schuldig sind, dienen wollen. Wann man nun des Han-
dels eins geworden, so geschieht es, dass erwachsene Personen
für diese Summe nach Beschaffenheit ihrer Stärke und Alter
3, 4, 5 bis 6 Jahre zu dienen sich schriftlich verbinden. Die
ganz jungen Leute aber von 10 bis 15 Jahren müssen servi-
ren, bis sie 21 Jahre alt sind." (S. 15.)
Viele Eltern müssen ihre Kinder selbst verhandeln und
verkauften wie das Vieh, damit nur die Eltern, wann die Kin-
der ihre Frachten auf sich nehmen, vom Schiff frei und los
werden. Da nun die Eltern oft nicht wissen, zu was vor Leu-
ten oder wohin ihre Kinder kommen, so geschieht es oft, dass
nach dem Abscheiden vom Schiff manche Eltern und Kinder
viele Jahre oder gar lebenslang einander nicht mehr zu sehen
bekommen." (S. 15.)
Dieses Bild des Menschenhandels bildet für Mittelberger die
Schattenseite des deutsch-amerikanischen Lebens. Auf den
übrigen Blättern seines Werkes führt er uns die hervorragen-
den Eigentümlichkeiten und Vorzüge des religiösen und so-
zialen Lebens in Pennsylvanien vor.
Ich ordne sie hier in ungefähr derselben Reihenfolge an,
in der er sie behandelt.
PHILADELPHIA.
Besonders interessant ist Mittelberger's
Beschreibung der Hauptstadt der Provinz und deren Handels-
verkehr mit anderen Ländern. Nachdem er von der günstigen
Lage und der ihm auffallenden Bauart der Bauten Philadelphia's
gesprochen, sagt er Folgendes über den Handel:
,,Die Handlung dieser Stadt und des Landes nach anderen
Ländern und Colonien vermehrt sich jährlich, und besteht
mehrentheils in Früchten, Mehl, Welschkorn, Tabae, Honig,
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vielerley Wildhäute, mancherley kostbarem Pelzwerk, Flachs,
und sonderlich sehr vielem Flachs oder Leinsaamen, auch fein
geschnittenem Holz, Pferden, allerhand zahmem und wildem
Vieh.
Dagegen bringen die von ferne kommende Schiffe aller-
hand Güter ein, als: Allerlei Weine, Spanischen, Portugiesi-
schen-und Teutschen, wovon die Maas des besten einen Reichs-
thaler, und des geringsten einen Gulden kostet. Ferner Ge-
würz, Zucker, Thee, Caffee, Reis, Rumm, das ist ein Brandt-
wein aus Zucker gebrannt, Mallasis, fein porcellanene Gefässe,
Holländisch und Englische Tücher, Leder, Leinwatt, Zeuge,
Seiden waaren, Damast, Sammet u. d. g. Es ist in Pennsyl-
vanien würklich schon Alles zu haben, was in Europa zu be-
kommen." (S. 3738.)
Dann lautet es an einer anderen Stelle:
In dieser Stadt seynd auch schon acht Kirchen, drey
Englische, drey Teutsche, eine Schwedische und eine Quäkers-
Kirche." (S. 38.)
Es ist in dieser Stadt auch ein Gymnasium erbauet
worinnen mancherley Sprachen tractiret werden, dann es sind
in dieser Stadt und in diesem Land Leute ans allen Theilen.
der ganzen Welt zu sehen, sonderheitlich Europäer, und könnte
derer mehr dann ein hundert Tausend zehlen. Die grösste
Anzahl der Inwohner von Pennsylvanien sind die Teutschen.
Es studiren auch in gedachtem Gymnasio viele von denen
Teutschen in unterschiedlichen Sprachen." (S. 39.) Dieses
Gymnasium bildete bekanntlich den Mittelpunkt des Pennsyl-
vanischen Erziehungswesens (wenn man überhaupt von einem
Erziehungswesen reden darf) der damaligen Zeit.
SEKTEN.
In enger Verbindung mit dem Vorhergehenden
steht, was er über die religiösen Sekten in Pennsylvanien be-
richtet :
Dann in Pennsylvanien herrschen so vielerley Glaubens-
lehren und Secten, die nicht alle können nahmhaft gemacht
werden, weilen mancher es niemanden bekennet, was er vor
einen Glauben habe. Hernach sind viele hundert erwachsene
Personen, die nicht getauft sind, auch nicht einmal getauft
sein wollen. Viele halten nichts von den Sacramenten und von
der heiligen Bibel oder gar von Gott und seinem Worte.
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Manche glauben nicht einmal, dass ein wahrer Gott oder Teu-
fel, Himmel oder Hölle, Seligkeit oder Verdamniss, Aufersthe-
hung der Todten, Gericht und ewiges Leben seye; sondern
glauben, es sey Alles, was man sehe natürlich. Dann in Penn-
sylvanien darf jedermann nicht nur glauben, was er will, son-
dern er darf es auch öffentlich und frey sagen." (S. 20-21.)
Man trifft darinnen [in Pa.] an Lutheraner, Reformirte,
Catholiken, Quäker, Mennoniten oder "Widertäufer, Herrenhuter
oder Mährische Brüder, Pietisten, Siebentäger, Dümpler, Pres-
byterianer, Neugebohrene, Freymaurer, Separatisten, Freygei-
ster, Juden, Mahometaner, Heiden, Neger und Indianer. Je-
doch aber machen die Evangelische und Reformirte den grössten
Hauffen.
Von ungetauften Menschen, welche auch nicht einmal ge-
tauft sein wollen, sind abermal viele hundert Seelen drinnen.
Sie beten weder Morgens noch Abends, weder vor noch nach
dem Tisch. Man
wird auch bei solchen Leuten kein geistlich
Buch, viel weniger eine Bibel sehen. In einem Hause kann
man unter einer Familie 4, 5 bis 6erley Glaubenslehren an-
treffen." (S. 43.)
Die Stegreif- oder Feldpredigt der damaligen Zeit hat
Mittelberger zu einigen sehr triftigen Bemerkungen geführt:
Es ist hier zu Lande nichts seltenes manchen ganz un-
gelehrten Mann im freyen Feld predigen zu hören, dann die
Sectirer sagen und halten davor, die heutige Gelehrten seyen
keine Apostel mehr, und machen aus Gelehrsamkeit nur ein
Handwerk."
Unter den Namen der guten Prediger, die er nennt, er-
kennen wir einige der berühmtesten des vorigen Jahrhunderts.
Ich citire die interessante Stelle:
"Sonsten [trotz der grosseu Anzahl Prediger, die gar schlecht
predigen und keinen besonders guten Einfluss ausüben] befin-
den sich in Pennsylvanien der Zeit viele gute Evangelisch-
Schwedisch- Holländisch, und Teutsche Prediger Lutherisch-
und Reformirter Religion, davon mir folgende gelbsten sehr
wohlbekannt waren, als unter den Englischen: Die drey Gebrü-
der Dement und Mr. Datt, Drey Schwedische, welche mit un-
sern Predigern in einer sehr genauen Vereinigung stehen, und
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jährlich mit einander Conferenzen halten. Die teutsch Evan-
gelisch-Lutherische Prediger aber sind Hr. Mr. Müllenberg,
senior, im Amt Providenz und Neu-Hannover, Hr. Brunholtf, in
Philadelphia, Hr. Handschuh in Germanton, Hr. Kurtz in Tul-
penhaken, Hr. Wagner in Readingstoun, Hr. Heinzelmann in
Philadelphia, Hr. Schultz, Hr. Weygand, Hr. Schrenk, Hr.
Schärtel an den Blauen Bergen, Hr. Hartwich in New-York,
Hr. Görock zu Lancaster. Reformirte sind: Hr. Schlatter,
Hr. Steiner, Hr. Siebele, Hr. Weiss, Hr. Michael, Hr. Streit-
ter und Hr. Laidig ohne der Holländischen und anderen * * zu
gedenken." (S. 4849.)
Besonders betont er, dass in Pennsylvanien die Prediger
keine Besoldungen oder Zehend-Früchte,
"keine Wohnungen
oder ,,Beneficia" haben und auch keine besondere Macht. Er
berichtet aber noch dieses darüber:
Von Kindstaufen, Leichen und Copulationen gibt man
gemeiniglich, einen ganzen Thaler." (S. 49.)
Damals hatten die Prediger sogar viele Feinde unter dem
Volke. Als Erzfeinde und Spötter" nennt er Arnold Huf-
nagel und Conrad Reif, die Plantage-Männer im Amt Oly
waren. (S. 100101.)
Wie sauer dem damaligen Prediger das Leben werden
konnte, erhellt aus Folgendem:
Es ist auch die Pennsylvanische Ereyheit manchen Men-
schen an Seel und Leib mehr schädlich als nuzlich. Sonst ist
ein Sprichwort darinnen: Pennsylvania ist der Bauern ihr
Himmel, der Handwerksleute ihr Paradies, der Beamten und
Prediger ihre Hölle." (S. 50.) *)
PROFESSIONEN.
Dem Mittelberger fiel es besonders auf,
dass es in Pennsylvanien keine Zünfte gab. S. 44 lautet es:
In Pennsylvanien ist auch keine Profession oder Hand-
thierung zünftig. Jedermann kann handeln und treiben wie
er will und kan, und so Jemand wollte oder könnte zehner-
ley Professionen anlegen, so kan und darf demselben es nie-
mand wehren, und wann zum Beispiel ein Jung in der Lehre
*) Seite 11 desselben Werkes heisst es: dass es [Pa.] seye des Frauenzim-
mers Paradies, der Männer Fegefeuer, und der Pferde Hölle." Pferde, Beamte
und Prediger stehen also auf gleicher Stufe!
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oder auch von selbsten in einem halben Jahr seine Kunst oder
Handwerk erlernet, kann er schon vor einen Meister passiren
und darf heirathen wann er will.
Dieses ist auch zu bewundern, dass die junge Leute, welche
in diesem neuen Lande gebohren worden, sehr gelehrsam, ge-
schickt und kunstreich sind; dann ein mancher beschaut und
betrachtet nur etliche mal etwas kunstreiches, so macht er es
sogleich nach, da in Teutschland mancher etliche Jahre daran
zu lernen hat, um solches perfect zu machen. Hier ist man-
cher im Stande, auch die künstlichste Sachen in kurzer Zeit zu
verfertigen. Wann diese junge Leute ein halbes Jahr in die
Schul gegangen, können sie gemeiniglich lesen, wo man will."
Haben wir nicht hier einen frühen Beweis dafür, dass
Gewandtheit und Versitilität, welche die Kennzeichen des echten
Amerikaners geworden, schon vor hundert und fünfzig Jahren
sich entwickelt hatten? Die Worte des deutschen Musiklehrers
haben einen wahrhaft prophetischen Klang!
LEBENSMITTEL.
Die Behandlung der Lebensmittel in
Pennsylvanien bildet einen der interessantesten Theile seines
Werkes. Nicht ohne Bedeutung ist, was er über den Preis im-
portirter Waaren sagt:
Die Lebensmittel in Pennsylvanien sind wohlfeil; hin-
gegen aber alles, was gearbeitet und in's Land gebracht wird,
ist drey bis vier mal theurer, als in Teutschland, Holz, Salz
und Zuker ausgenommen.
Sie bauen aber lauter blosse
Früchten, als Rocken, Waizen, Gersten, Haber, Buchwaizen,
Welschkorn, Flachs, Hanf, Obst, Kraut und Rüben. Sie haben
auch gute Viehzucht, schnelle Pferde und viel Bienen. Die
Schaafe, die grösser als die teutschen sind, haben jährlich meh-
rentheils zwei Lämmer. Schweine und Geflügel, sonderlich
welsche Hüner ziehet jedermann häufig." (S. 52.)
Schon zu Mittelberger's Zeit war das Fleischessen sehr
auffallend und so verbreitet, dass er bemerkte, hier geniesse
man kein Essen ohne Fleisch, selbst in den ärmsten Häusern.
Ich glaube nicht,
"fährt er fort, dass in irgend einem
Lande mehr Fleisch verspeisset und verzehret wird, als in
Pennsylvanien." (S. 52.)
Ueber AMERIKANISCHE GETRAENKE hat er eine sehr in-
teressante Stelle:
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Das Getränk in Pennsylvanien und ändern Englischen
Colonien ist mancherlei: erstlich köstlich und gesundes Was-
ser; zweytens macht man eine Mixtur mit Milch, und drey-
theil Wasser; drittens guter Apfelmost; viertens Schmahl
Bier; fünftens köstlich Englisches und starkes süsses Bier;
sechstens sogenannter Punsch, welcher von drey Theil Wasser
und einem Theil West-Indischen Rumm (wo man keinen Rumm
hat, nimmt man Brandtwein, aber der Rumm ist viel ange-
nehmer) mit Zucker und Citronensaft vermengt, gemacht ist;
siebentens Sinkere, *) welches noch köstlicher zu trinken ist;
dieses wird von zwey Theil Wasser und einem Theil Spanischen
Wein wit Zucker und Muscoten-Nuss angemacht, und dann
achtens tentsche nnd spanische Weine sind in allen Schenk-
häusern genug zu bekommen."
PFLANZEN UND F®UECHTE.
Manches interessante be-
richtet er über die Pflanzen und Bäume, die in Pennsylvanien
wachsen, Pfirsich- und Kirsch-, Zucker-, Sassafras-, Tulipa-
nenbäume und Blumen verschiedener Art finden wir ausführ-
lich beschrieben.
,,Es gibt (sagt er S. 58) in Pennsylvanien, sowie in ganz
Nord-Amerika von Arkadien bis nach Mexico ohngepflanzte
schwarz und weisse Traubenstöcke genug zu sehen, welche in
den Wäldern, an den Eichbäumen und an den Hecken auf-
wachsen."
THIERE UND INSEKTEN.
Auch über amerikanische
Thiere berichtet Mittelberger Manches: Hier hat man keine
Mayenkäfer, dagegen aber alle fünf Jahr ein entsetzliches
Heer Ungeziefer Lockis (Locusts) genannt."Die Frösche
haben hier eine ganz andere Stimme. Sie quaken nicht, son-
dern sie gilfen." (S. 63.) Er scheint aber dem Thierreich
nicht viel Studium gewidmet zu haben, da er die Namen
mancher Vögel und Thiere nicht nennt.
ST®ASSEN.
Ganz am Ende seiner Reisebeschreibung gibt
er die Hauptstrassen der Provinz an:
In der Provinz Pennsylvanien sind drey Hauptstrassen
angelegt, welche alle drey von Philadelphia in das Land hinein
gehen, so weit es bewohnet ist; die erste Strasse von Phila.
*) Das amerikanische Getränk Sangaree."
Prof. Raddatz des Baltimore
City College.
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gehet rechter Hand über die Delawar Neu-Frankfurt zu;
die
zweite oder mitlere Strasse gehet Germanton, Rittingston und
Dueppenhacken zu, bis über die blaue Berge; die dritte Strasse
gehet linker Hand Lancaster und Bethlehem zu, welches ein
Kloster und
voller Dümpler mit Brüder und Schwestern be-
wohnt ist. Diese Leute scheeren keinen Bart, es hat ein Man-
cher unter denenselben einen Bart einer halben Ehlen lang.
Sie tragen Kutten, wie die Capuciner, Winterszeit von solchem
Tuch oder Farbe, Sommerszeit aber von feinem weissen Lein-
wand; die Schwestern kleiden sich auf gleiche Art. Diese
Leut taufen sich erst und tunken sich ganz in's tieffe Wasser,
wann sie schon erwachsen sind, und von ihrem Glauben Re-
chenschaft geben können. Sonsten feyern sie statt des Sonn-
tags den vorhergehenden Samstag.'' (S. 115.)
DRUCKEREIEN".
Ueber die damalige Presse schreibt er
Folgendes: In Pennsylvanien befinden sich bereits vier Buch-
druckereien, nemlich in Philadelphia zwey, eine in Englisch
und die andere in Teutscher Sprache; die dritte in German-
ton, und die vierte in Lancaster." (S. 91.)
MUSIK.
Mittelberger war Organist und Musiklehrer,
und ich schliesse diese Citate mit dem, was er über die Musik
in Pennsylvanien zu sagen hat:
Hingegen ist die Musik daselbst der Zeit noch, ziemlich
rar zu hören. In der Hauptstadt Philadelphia selbst wird
weder in Englischen noch Teutschen Kirchen Musik gemacht."
Zuweilen, schreibt er weiter, seien Concerte auf Spinnet oder
Clavicymbal" in Englischen Privathäusern zu hören. Er habe
selbst die erste Orgel nach Philadelphia gebracht. Als er
dieses in Heilbronn verfertigte Instrument in der St. Michaels-
Kirche in Philadelphia aufstellte, habe es sonst in der ganzen
Provinz nur sechs Orgeln gegeben.
Ausser den oben erwähnten Gegenständen hat Mittelber-
ger sonst manche dem amerikanischen Leben eigentümliche
Sitten und Bräuche berührt, wie z. B. Heirathsbräuche, Aber-
glauben, Münzwesen u. dgl. Die gute alte deutsche Gastfrei-
heit, ja sogar das alte Gastrecht tritt in dem Bericht sehr
klar zu Tage, wo er sagt, man könne ein ganzes Jahr in
Pennsylvanien reisen, ohne einen Kreutzer für Speise auszu-
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geben, da es dort Sitte sei, dem Reisenden kaltes Fleisch mit
Brod und Butter vorzusetzen, dessen Pferd zu füttern und
Beide über Nacht zu halten.
Aus diesen Auszügen aus Mittel berger's Reisebeschrei-
bung lässt es sich sehr leicht sehen, dass er für das allge-
meine Publikum schrieb und
zwar zunächst
für Solche,
die mit dem Gedanken umgingen, nach Amerika auszuwan-
dern, *) und dass er demgemäss sich nicht bemühte, Alles
statistisch genau anzugeben. Es fehlt also manches Bedeu-
tende, was er hätte erwähnen können, wie z. B. Näheres über
den damaligen Zustand der deuteh-pennsylvauischen Presse und
Anderes; aber er schrieb als Ausländer, und nicht als. Ansied-
ler und für Europäer, nicht für Deutsch-Pennsylvanier. Der
Hauptwerth seiner Arbeit besteht also darin, dass er stets das
Auffallende heraussucht,, und betont und so einen interessanten
und zugleich lehrreichen Vergleich der Verhältnisse der alten
und neuen Heimath anstellt. Es ist und bleibt also diese Reise-
beschreibung eines der werthvollsten gleichzeitigen Zeugnisse
für die deutsch-amerikanische Kulturgeschichte des achtzehn-
ten Jahrhunderts.
*) "His observations on emigration are very good and most true."
Aus
einem Brief von John W. Jordan, Assist. Librarian der P. H. Society, dem ich
hier meinen Dank ausdrücke.
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