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Das Baltimorer Blumenspiel.
BALTIMORE, 21. Juni 1904.
Herrn L. P. Hennighausen,
Präsident der Gesellschaft zur Erforschung der Geschichte
der Deutschen in Maryland.
Geehrter Herr Hennighausen!
Das unterzeichnete Comitee gestattet sich, als Bericht über die Ende
April in Baltimore stattgefundenen Blumenspiele, den folgenden Auszug aus
der von Dr. Ernst Henrici verfassten Einleitung für das von dem Germania
Club herauszugebende Buch, betreffs der Blumenspiele, zur Incorporation
in den Annalen oben genannter Gesellschaft zu empfehlen.
Vorsitzender :    FRED. J. M A YER,
LOUIS P. HENNIGHAUSEN,
HENRY WOOD.
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Das Baltimorer Blumenspiel.
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In Baltimore fanden am 21. April 1904 die ersten „Blumen-
spiele" auf dem Boden der Vereinigten Staaten statt. Begründet
wurden dieselben durch die beiden Baltimorer Ingenieure, Fritz
Mayer and Ernst Henrici. Der letztere hatte im Jahre 1903
bei den Kölner Blumenspielen einen Preis gewonnen für seine
Ballade „Die Fullahmaid," und regte den Gedanken an, auch
in Amerika diese Dichterwettkämpfe einzuführen, welche im
14. Jahrhundert in Südfrankreich entstanden und sich von dort
nach Spanien ausbreiteten, von wo der deutsche Hofrat Dr.
Johannes Fastenrath sie im Jahre 1898 nach Köln übertrug.
Herr Fritz Mayer, der leitende Ingenieur der Firma Bartlett,
Hayward & Co., gewann den „Germania-Club der Stadt Balti-
more" für den Gedanken, und dieser erliess im Dezember 1903
den folgenden Aufruf:
Baltimorer Blumenspiele
1904.
Geleitet von dem Wunsche, die deutsche Dichtung in
Amerika und damit das Deutschtum im Allgemeinen zu fördern,
hat der „Germania-Club der Stadt Baltimore" beschlossen, einen
Dichterwettkampf in der Form der altehrwürdigen Blumen-
spiele zu
veranstalten, die im 14. Jahrhundert in der Provence
entstanden und neuerdings in Barcelona, Zaragoza und durch
Dr. Joh. Fastenrath in Köln am Rhein wieder aufgelebt sind.
Der unterfertigte „Germania-Club" ladet alle in den Ver-
einigten Staaten lebenden deutschen Dichter und solche ameri-
kanische Bürger, welche im Auslande weilen, ein, sich an diesem
Dichterwettkampf zu beteiligen, und stellt die folgenden Auf-
gaben :
1.
Ein Liebesgedicht.
2.
Gedicht zum Preise des Deutschtums.
3.
Gedicht aus der Geschichte der Deutschen in Amerika.
4.
Humoristisches (nicht karnevalistisches) Gedicht.
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5.
Novelle in Versen oder Ballade.
6.
Ein  sangbares Lied, bevorzugt solches,  dessen Ver-
fasser gleichzeitig die Melodie erfunden hat und mit
einsendet.
An Preisen werden ausgesetzt :
1.
Frische Blumen mit einer Ehrenschleife für den Ver-
fasser des besten Liebesgedichtes. Derselbe hat ausser-
dem das Recht, die Blumenkönigin zu ernennen, mit
dem Kranz  zu   schmücken und zum Throne zu ge-
leiten.    Ist der Sieger eine Dame, so wird sie selbst
Blumenkönigin.
2.
Goldene Medaille, gestiftet von Herrn Rechtsanwalt
L. P. Hennighausen, Baltimore.
3.
Ein   silberner Pokal,  gestiftet  von Herrn Ingenieur
Fritz Mayer, Baltimore.
4.
Ein   silberner   Becher,   gestiftet  vom Washingtoner
Dichterbund.
5.
Ein Schreibzeug mit Widmungsplatte,   gestiftet von
Ingenieur Dr. Ernst Henrici, Baltimore.
6.
Ein   silberner Dolch  zum Brieffalzen,  gestiftet von
der „Gesellschaft für deutsche Literatur und Kunst"
zu Baltimore.
Es stehen noch weitere Preise in Aussicht, welche als zweite
Preise gegeben werden sollen. Ausserdem soll tüchtigen Leis-
tungen eine „ehrenvolle Erwähnung" und Diplom darüber zu
Teil werden.
Bedingungen für die Bewerbung.
Die Dichter müssen entweder in den Vereinigten Staaten
leben, oder auswärts lebende amerikanische Bürger sein.
Keine der einzusendenden Arbeiten darf schon gedruckt
oder öffentlich vorgelesen sein.
Alle Gedichte, mit Ausnahme des humoristischen, müssen
in hochdeutscher Sprache abgefasst sein; für humoristische
sollen Dialekte zugelassen werden.
Jeder Dichter darf sich um alle ausgesetzten Preise be-
werben, jedoch nur mit je einer Arbeit für jede Aufgabe.
Die Arbeiten dürfen nicht den Namen des Verfassers tra-
gen, sondern ein Kennwort; einer jeden ist ein geschlossener
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Briefumschlag beizufügen, welcher als Aufschrift dasselbe Kenn-
wort (z. B. den Titel der Dichtung) trägt, und innen den
Namen und Wohnort des Verfassers enthält.
Die Arbeiten sollen deutlich und wenn möglich auf der
Schreibmaschine geschrieben sein, und spätestens bis zum 15.
Februar 1904 eingesendet werden, an den Sekretär der Balti-
morer Blumenspiele, Dr. Ernst Henrici, Baltimore, Md , 705
Portland Strasse.
Als Preisrichter werden walten: die Herren John Hinrichs,
Ingenieur Fritz Mayer, Pastor Julius Hofmann, Prof. Dr.
Henry Wood, Henry G. Hilken, Prof. Dr. W. Simon und Re-
dakteur R. Ortmann, sämmtlich in Baltimore.
Sobald die Preisrichter ihre Arbeit vollendet haben, werden
sie, zusammen mit dem Vorstand des „Germania-Club" und
dem Comitee der Blumenspiele, zu einer Sitzung zusammen-
treten und durch Eröffnen der Briefumschläge die Namen der
Sieger feststellen. Nichtgekrönte Arbeiten werden, wenn sie
von grösserem Umfange sind, auf besonderes Verlangen den
Verfassern zurückgesandt.
Mitte April findet dann die Feier der Blumenspiele in
Baltimore statt, zu welcher alle Sieger willkommen sind, um
aus den Händen der Blumenkönigin ihre Preise in Empfang
zu nehmen. Die preisgekrönten Arbeiten, mit Ausnahme der
allzu langen, werden bei dieser Gelegenheit feierlich vorge-
tragen werden.
Der „Germania-Club" behält sich das Recht vor, die preis-
gekrönten und ehrenvoll erwähnten Arbeiten zu veröffentlichen,
ohne dass dadurch den Verfassern das Recht anderweitiger
Veröffentlichung beschränkt werden soll.
„Germania-Club der Stadt Baltimore," der Präsident:
Henry Lauts; der Sekretär: Geo. Buchheister.
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Diesem Aufrufe entsprachen die deutsch-amerikanischen
Dichter in reichstem Masse, besonders da sogleich nach Ver-
öffentlichung desselben noch eine grössere Zahl von Preisen
gestiftet wurde. Dr. Johannes Fastenrath sandte aus Köln
eine schöne Miniaturnachbildung des Kölner Domes, als Preis
für ein religiöses Gedicht, die Historische Gesellschaft von
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Maryland stiftete ihre bisherigen Veröffentlichungen in Pracht-
band; der Schiller-Verein von St. Louis ein Bücherwerk nach
Wahl des Gewinners; der Deutsche Techniker-Verein von Bal-
timore gab eine prächtige gemalte Porzellanvase; der Gesang-
verein „Harmonie," Baltimore, einen Stich „Beethoven;" die
„Gesellschaft für Deutsche Literatur und Kunst" ein silbernes
Briefmesser; Herr Henry G. Hilken eine goldene Vorstecknadel.
Es liefen 305 Dichtungen ein, und von diesen wurden
zwölf mit den obigen Preisen ausgezeichnet, und 19 ehrenvoll
erwähnt.
Am 21. April, Abends 8 Uhr, wurde in den festlich mit
Grün und Blumen geschmückten Räumen des „Germania-Club"
das Fest gefeiert, bei welchem Frau G. W. Gail als Blumen-
Königin ihres Amtes waltete.
Die Begrüssungsrede hielt der Vize-Präsident des Clubs,
Herr H. G. Hilken, in Vertretung des erkrankten Präsidenten,
Herrn Henry Lauts; die Festrede hielt Herr Ernst Henrici.
Sechs von den Dichtern waren persönlich erschienen, um ihre
Preise zu empfangen; die fernste Reise hatte zu diesem Zwecke
der doppelt gekrönte Konrad Nies aus St. Louis gemacht. Mit
dem Vortrag der preisgekrönten Gedichte wechselten Orchester-
musik und Gesangvorträge.
Die anwesenden Dichter trugen ihre eigenen Sachen vor,
für die abwesenden traten ein: Fräulein Anita Schade aus
Washington und die Herren John Hinrichs und Ernst Henrici.
Den Beschluss machte die Verlesung von Festgrüssen, unter
denen sich auch ein poetischer von Dr. Fastenrath — Köln befand.
Am folgenden Abend, Freitag, den 22. April, gab der
„Germania-Club" ein Festbankett, zu welchem die ausgezeich-
neten Dichter als Ehrengäste erschienen.
Der Baltimorer Dichterwettkampf und das Fest der Blu-
menspiele, wurden rückhaltlos und einhellig von allen Festteil-
nehmern und der gesammten Presse als ein grosser Erfolg des
Deutschtums bezeichnet.
Die preisgekrönten Dichtungen werden in Buchform vom
„Germania-Club" veröffentlicht werden.
Vorsitzender: FRED. J. MAYER,
LOUIS P. HENNIGHAUSEN,
HENRY WOOD.